Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Hörste

 

Viele Bürgerinnen und Bürger von Hörste, Garfeln und Öchtringhausen werden sich sicherlich noch an die eindrucksvolle 1100-Jahrfeier im Jahr 1981 hier in Hörste erinnern. Im Festzug am Sonntag, 20. September, fuhr ganz vorn ein Wagen, reich mit Blumen dekoriert, der eine Kopie der Urkunde präsentierte, welcher der Ort diese Jubiläumsfeier zu verdanken hatte. Es handelte sich um die Ablichtung einer Urkunde, die heute im Nordrhein-Westfälischen Staatsarchiv Münster aufbewahrt wird. Es ist nicht die „Gründungsurkunde von Hörste!“ Man darf sich nicht vorstellen, daß sich die Herrscher morgens an ihren Schreibtisch setzten und sagten: So, heute gründe ich mal A-Dorf, B-Hausen und C-Weiler und meine Schreiber sollen die entsprechenden Pergamente ausfertigen und unter die Leute bringen. Städte wurden gegründet; aber meist nicht auf der grünen Wiese, sondern man zog bestehende Siedlungen mit ein. Stadtgründungsurkunden haben sich in einigen Fällen erhalten. Die meisten Städte entwickelten sich aber erst im Laufe der Zeit und wurden dann per Rechtsetzungsakt zu einer richtigen Stadt mit Stadtrechten erhoben. Auch Bistümer entstanden durch einen Gründungsakt, aber Gründungsurkunden - sollten sie existiert haben - liegen nicht immer vor. Folglich muß man die Ersterwähnung von Ortschaften sowie weltlichen und sakralen Bauten meist in anderen Zusammenhängen, durchaus mit einer gewissen Zufälligkeit, suchen. Außerdem sagt eine schriftliche Ersterwähnung nur bedingt etwas über das Alter einer Siedlung aus. Die Altersbestimmung von Wohnplätzen und Ortschaften ist eine Wissenschaft für sich. Es werden natürlich schriftliche Quellen einbezogen, aber auch der Ortsname an sich sagt einiges über das Alter einer Siedlung aus. Besonders aufschlußreich sind Bodenfunden, und die reichen oft bis in die vorchristliche Zeit zurück.

 

Die urkundliche Ersterwähnung von Hörste findet sich in einer Urkunde, die in einem größeren politischen Zusammenhang zu sehen ist und die Ersterwähnung ist für Hörste durchaus ein glücklicher Nebenaspekt. Es handelt sich um eine Urkunde, die König Ludwig III. (oder Ludwig der Jüngere) am 5. Juni 881 auf dem Reichstag zu Frankfurt für den Paderborner Bischof Liuthard ausgestellt hat. Der Bischof hatte ihn gebeten, die Rechte und Privilegien des Bistums Paderborn königlicherseits zu bestätigen. Zu diesem Zwecke wurden dem Herrscher am 1. Juni 881 Urkunden aus dem bischöflichen Archiv zu Paderborn vorgelegt. König Ludwig kam der Bitte des Kirchenmannes nach und bestätigte die von seinem Vater und seinem Großvater der Paderborner Diözese erteilten Schutz- und Immunitätsprivilegien. Eine Besonderheit, die auch in der Wissenschaft Beachtung gefunden hat, ist, daß er die bestehenden Privilegien ausweitete und auch die Malmannen der Hörster Mark („Hursteromarcu“) in seinen königlichen Schutz nahm und sie der Gerichtsbarkeit des Bischofs unterstellte und somit der gräflichen Gerichtsbarkeit entzog. Als Gerichtsstand wurde das Gericht des Paderborner Bischofs bzw. des von ihm ernannten Vogtes bestimmt. Bei den Malmannen handelt es sich um Personen, die, wie aus der Urkunde hervorgeht, der Paderborner Kirche zu Diensten verpflichtet waren und im sächsischen Sprachgebrauch als Malmannen, als abgabenpflichtige Freie, bezeichnet wurden. Über die räumliche Ausdehnung der Hörster Mark ist man sich bislang noch nicht klar. Eine Mark, also eine Grenzregion, hier die Grenzregion des Bistums Paderborn, wird oft nach topographischen Punkten oder Besonderheiten benannt. Da es einen Landstrich mit der Bezeichnung „Hurste“ oder „Hörste“ nicht gibt, haben wir in „Hursteromarcu“, der Hörster Mark, eine Region vor uns, die nach einem Siedlungskern, einer Verdichtung von Wohnplätzen, eben nach Hörste benannt ist.

 

Sechs Jahre später wurden die Privilegien des Paderborner Bistums von den Amtsnachfolgern der im Jahre 881 handelnden Personen bestätigt. Der weltliche Herrscher Kaiser Karl der Dicke, der seinem verstorbenen Bruder Ludwig auf den Königsthron gefolgt war und zudem den Kaisertitel erworben hatte, stellte in Lustenau in Vorarlberg am 21. September 887 eine Urkunde für Bischof Biso von Paderborn aus, die im wesentlichen mit dem Inhalt der Urkunde aus dem Jahr 881 übereinstimmt.

 

Somit kann sich der Ort Hörste glücklich schätzen, daß bereits für die spätkarolingische Epoche eine urkundliche Ersterwähnung vorliegt und zwar sogar in einer Königs- und einer Kaiserurkunde. Ob dies ein Verdienst des seligen Paderborner Bischofs Liuthard ist, dessen Siegelbild als ältestes deutsches Bischofssiegel im Erzbistumsarchiv Paderborn aufbewahrt wird, mag dahingestellt bleiben.

 

Michael Streit

 

 

 

Quellen:

Bannasch, Hermann: Das Bistum Paderborn unter den Bischöfen Rethar und Meinwerk, Paderborn 1972.

Erhard, Heinrich August, Bearb. u. Hrsg.: Regesta Historiae Westfaliae, Band 1, Münster 1847.

Presse- und Informationsstelle im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn: Ein Jahrtausend in Urkunden. Eine Ausstellung des Bistumsarchivs, Paderborn 1972.

Schultz, Ferdinand: Beiträge zur Geschichte der Landeshoheit im Bistum Paderborn bis zur Mitte des vierzehnten Jahrhunderts: Die Vogtei, Münster 1903.

Wilmans, Roger: Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen, Band 1, Die Urkunden des Karolingischen Zeitalters, Münster 1867.