Zur Geschichte der Pfarrei St. Martinus Hörste

 Die heutige Pfarrei St. Martinus Hörste erstreckt sich über die Ortschaften Hörste, Oechtringhausen und Garfeln am südlichen Ufer der Lippe, sowie Rebbeke, Mettinghausen und Niederdedinghausen nördlich der Lippe. Sie liegt am Ostrand des Stadtgebietes von Lippstadt im Kreis Soest, Regierungsbezírk Arnsberg. Die Landstraße von Lippstadt nach Salzkotten führt durch den Pfarrort Hörste. Schon in vorchristlicher Zeit war der Lipperaum von Menschen bewohnt. Dies beweisen zahlreiche Grabfunde in den Lippe-Dünen der Umgegend.

 


 

Der Ort Hörste wurde im Jahre 881 erstmalig urkundlich erwähnt. In jenem Jahr unterstellte König Ludwig III die freien Bewohner der Hörster Mark ("malman" "Hursteromarcu") der Gerichtsbarkeit des Paderborner Bischofs. Das Domstift besaß seinerzeit schon die höhere Immunität und befand sich nicht mehr in der unmittelbaren Gerichtsbarkeit des Grafen. Bischof Liuthard bat den König, auch die Bewohner der Hörster Mark der höheren Immunität des Bischofs zu unterstellen. Ludwig kam dieser Bitte mit Ausstellung der Urkunde am 5. Juni 881 in Frankfurt nach. Kaiser Karl der Dicke bestätigte Bischof Biso von Paderborn im Jahre 887 die Immunitätsprivilegien des Bistums einschließlich der höheren Immunität über die Malmannen der Hörster Mark. Sie waren der Gerichtsbarkeit des Grafen entzogen und wurden vom Bischof oder seinem Vogt gerichtet.

 

1036 wird Hörste in der "Vita Meinwerci", der Lebensbeschreibung Bischofs Meinwerk, zur Ortsbestimmung des Nachbardorfes Esbeck benutzt.

 

Herausragende Bedeutung für die Pfarrgeschichte hat eine Urkunde aus dem Jahre 1216, die zum Hörster Pfarrarchiv gehört und sich heute als Depositum im Erzbistumsarchiv Paderborn befindet. Aus dem alten Pergament lassen sich eine Fülle von Informationen erschließen. So u. a. die erste urkundliche Erwähnung der Kirche in Hörste (ecclesie in Hurste) als auch des Ortes Mettinghausen (villa methinchusen). Um die Unterhaltung der Kirche sicherzustellen, waren der Kirchengemeinde Ländereien in Mettinghausen vermacht worden. Insbesondere sollten aus den Einkünften der Grundstücke die Ausgaben für das Beleuchtungsgut (Kerzen, Öl, etc.,) der Kirche bestritten werden. Der Kanoniker Albert am Busdorfstift in Paderborn war in jener Zeit Kirchherr in Hörste. Er hatte für die Pfarrei Sorge zu tragen, konnte sich aber durch einen Vikar vertreten lassen. Der Kirchherr erhielt die Einkünfte der Pfarrstelle. Die Einkünfte der Mettinghauser Ländereien waren wohl im Laufe der Zeit der Kirche entfremdet worden und dem Kirchherrn zugeflossen. Dompropst Gottschalk stellte deshalb im Jahre 1194 eine Urkunde aus, in der die Verhältnisse wieder eindeutig geregelt wurden. Er veranlaßte die Rückgabe der Ländereien von Albert an die Pfarrei und legte fest, daß sie immer im Besitz der Kirche bleiben sollen und die Einkünfte mit dem Einverständnis der Pfarrei für das Beleuchtungsgut herangezogen werden sollten. Keine Person, gleich ob Kleriker oder Laie, ob Kirchherr oder Vikar, sollten die Einnahmen als die ihren betrachten. Der Dompropst droht bei Zuwiderhandlungen mit dem Bann und sogar mit Absprechung der ewigen Seligkeit. Die Urkunde des Gottschalk hat sich nicht mehr erhalten, sie findet sich aber als Insert (innenliegender Text) in der Urkunde von 1216. Scheinbar gab es zu Beginn des 13. Jhds. erneut Probleme wegen der Mettinghauser Ländereien, so daß sich der Dompropst Lambert von Paderborn veranlaßt sah, die Ausführungen seines Vorgängers nochmals aufzuschreiben und weitere Regelungen zu treffen. Aus umsichtiger Besorgnis ordnet er nämlich an: Die jährlichen Abgaben aller Wachszinspflichtigen der Kirche sollen mit Zustimmung des Priesters von vier "vornehmen" Männern, die von allen Pfarrangehörigen aus deren Reihen gewählt worden sind, eingezogen werden und für das Beleuchtungsgut ausgegeben werden. Falls hierfür schon ausreichend Mittel vorhanden waren, z. B. aus den Erträgen der dafür bestimmten Ländereien, können die "Wachszinsen" auch für andere Zwecke zur Kirchenunterhaltung verwandt werden. Die Abtretung an Personen, selbst wenn diese im Dienst der Kirche standen, schied aus. Das Recht des Priesters auf das beste Kleid nach dem Tode eines Wachszinspflichtigen blieb erhalten. War kein Erbe vorhanden, fiel dem Priester die gesamte Erbschaft zu.

 

In den vornehmen Männern begegnen uns bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts Laien als Verwalter von kirchlichem Vermögen. Nach Dr. Cohausz findet sich hier der früheste faßbare Fall einer kirchengemeindlichen Selbstverwaltung im alten Hochstift Paderborn. Er nimmt an, daß die Institution der Vermögensverwalter nicht erst 1216 geschaffen worden ist, sondern schon früher bestand. Die Pfarrei müßte demnach noch älter sein.

 

Die Wahl des Kirchenpatrons, des Hl. Martin, unterstützt diese These. Bischof Martin von Tours (gest. 397) war ein Freund des Hl. Liborius, dessen Gebeine 836 von Le Mans nach Paderborn überführt wurden. Im gerade missionierten Sachsenland wurden die fränkischen Heiligen gern als Patrone für die neu entstandenen Kirchen gewählt. Dr. Kindl vermutet, daß bereits um 940 eine adelige Eigenkirche in Hörste existierte.

 

Der besondere Schutz des Bischofs, die vermögensmäßige Ausstattung der Pfarrei und der wehrhafte Kirchturm unterstreichen die besondere Stellung der St. Martinus Pfarrei als Grenzpfarrei des Bistums Paderborn. In diesem Bereich trafen die Interessen der Bistümer Köln und Paderborn sowie des Reichstifts Corvey aufeinander. Bis zur Neuumschreibung des Bistums durch die päpstliche Bulle "De salute animarum" im Jahre 1821 war Hörste die westliche Grenzpfarrei der Diözese Paderborn.

 

Die Pfarrei gehörte zum Archidiakonat des Dompropstes. Das Domkapitel hatte Besitz in der Pfarrei, z. B. den damaligen Schultenhof Rhoeren nahe der Kirche, mehrere Höfe in Oechtringhausen, Mettinghausen, Niederdedinghausen und den Hof Plogmeier in Garfeln. Ein Domherr war Inhaber der Pfarrstelle und ließ sich durch einen Vikar vertreten. Der spätere Bischof Ferdinand von Fürstenberg hatte die Pfarrstelle im 17. Jahrhundert inne.

 

Mit "Henricus, plebanus de Horste" (Heinrich, Pfarrer von Hörste) haben wir den ersten namentlich genannten Pfarrer der St. Martinus Pfarrei vor uns. Er tritt in einer Urkunde von Bernhard III zur Lippe im Jahre 1257 als Zeuge auf.

 

Zum Pfarrarchiv gehören Urkundenbestände aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Es handelt sich größtenteils um Grundstücksangelgenheiten. Eine Ablaßurkunde des Bischofs Simon III von Paderborn vom 21. September 1495 mit Siegel ist noch vorhanden. Der Bischof gewährt dem Pfarrer und allen Christgläubigen in Hörste einen Ablaß von 40 Tagen, wenn sie die zur größeren Verehrung des Hl. Sakramentes geforderten Bedingungen erfüllen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts ist von einem wundertätigen Kreuz im Hause des Richters in Rebbeke die Rede. Der Archidiakon Dompropst Freiherr von Fürstenberg befiehlt dem Richter und seiner Frau, das in ihrer Stube vorhandene Kreuz vom Hörster Pfarrer verdecken zu lassen und keinem Menschen aus dem In- oder Ausland Zutritt zu gestatten, zur Verehrung des Kreuzes oder zu einer Andacht davor. Papst Pius VII gewährt der Hörster Kirche mit Urkunde vom 20. November 1816 für sieben Jahre einen vollkommenen Ablaß an den Festen Kreuzauffindung und dem Sonntag in der Fronleichnamsoktav. Die Ablaßgewährung ist sicherlich im Zusammenhang mit der Schenkung des Kruzifixes aus der aufgelösten Benediktiner-Abtei St. Mauritius in Minden an die Pfarrkirche im Jahre 1815 zu sehen. Ein weiterer Ablaßbrief für die Beter vor dem Bild der Immerwährenden Hilfe wurde 1907 von Papst Pius X ausgestellt. Die Kirchenbücher mit Eintragungen von Taufen, Eheschließungen und Sterbefällen reichen bis in das Jahr 1651 zurück.

 

Die Angehörigen der ausgedehnten Pfarrei hatten z. T. einen über einstündigen Weg zu ihrer Pfarrkirche. Dies galt besonders für die Bewohner von Verlar, östlich, Richtung Salzkotten gelegen. Seit frühester Zeit gehörte der Ort zur Pfarrei Hörste. Im 18. Jhd. wurden die Bestrebungen zur Errichtung eines eigenen Gotteshauses in Verlar stärker. Fürstbischof Wilhelm Anton von Asseburg genehmigte schließlich den Bau einer Kapelle. 1884 wurde Verlar Filiale von Hörste mit eigener Vermögensverwaltung. Die Abpfarrung erfolgte 1922 mit Errichtung der Pfarrvikarie St. Franziskus Xaverius Verlar mit eigener Vermögensverwaltung. Verlar blieb der Mutterpfarrei zugeordnet.

 

Im Zuge der kommunalen Neuordnung 1974 änderten sich die jahrhunderte alten Grenzen und politischen Zugehörigkeiten im sog. "Entenschnabel" des Kreises Büren. Das Amt Boke, zu dem die Ortschaften der Pfarrei gehörten, wurde aufgelöst. Verlar kam zur Stadt Salzkotten, die anderen Ortschaften wurden der Stadt Lippstadt zugeordnet. Somit liegt die alte Pfarrei heute zum Großteil im Regierungsbezirk Arnsberg, die mittlerweile eigenständige Pfarrvikarie Verlar im Regierungsbezirk Detmold. Der Umstrukturierung im weltlichen Bereich folgte die Neuorganisation der Dekanats- und Regionalgrenzen auf kirchlicher Seite. Die St. Martinus Pfarrei wurde aus dem Bezirk Hochstift herausgelöst und dem Dekanat Lippstadt, Seelsorgeregion Hellweg, angeschlossen.

 

Von den vielen alten kirchlichen Traditionen und Festen der Pfarrei haben sich noch der Agatha-Lobetag und die Johannes-Prozession erhalten. Der Agatha-Tag (5. Februar) wird als Fast- und Abstinenztag in der Pfarrei, auch in Verlar, begangen. Selbst das Vieh erhielt früher während der hellen Stunden des Tages kein Futter und mußte am Lobetag teilnehmen. Die kleine Glocke der Kirche von 1949 ist der Hl. Agatha, der Patronin der Feuerwehr und Fürsprecherin bei Brandgefahr, geweiht. Vermutlich geht dieser Lobetag auf akute Feuergefahr in der Pfarrei zurück.

 

Am Sonntag nach dem Fest Johannes des Täufers zieht die Lobeprozession über das Herlar und durch Garfeln. Der Ursprung dieser Tradition liegt noch im Dunkeln. Dem Gelöbnis nach darf die Prozession nicht ausfallen und wird im Falle ungünstiger Witterung nachgeholt. Beim Erreichen der Garfelner Gemarkung und beim Segen an des Prozessionsstationen krachen Böllerschüsse der "St.-Johannes-Böllerschützen".

 

Die Fronleichnamsprozession führt traditionsgemäß über das "Sauerfeld". Diese Gemarkung wurde bereits im 17. Jhd. als Prozessionsweg erwähnt.

 

Die Seelsorge war bei den vielen Hochwassern der Lippe nicht einfach und die nördlich des Flusses gelegenen Ortschaften waren regelmäßig vom Pfarrort durch die Fluten abgeschnitten.

 

Bis zum Jahre 1849 mußten die Pfarrer von Hörste ohne festen Hilfsgeistlichen auskommen. Ab diesem Jahr stand ihm ein Vikar zur Seite. Die Errichtung der Kaplaneistelle war durch das Vermächtnis von Pfarrer Schlüter möglich geworden, der sein erspartes Vermögen zur Ausstattung der Stelle bestimmte. Seit 1954 jedoch ist die Vikarstelle (wohl auf Dauer) unbesetzt.

 

Neue Impulse für das kirchliche Leben gab die Gründung des St. Elisabeth-Hauses, eines Waisenhauses der Salzkottener Franziskanerinnen. Es wurde 1864 errichtet, die erste Neugründung seit der Verlegung des Muttterhauses von Olpe nach Salzkotten. Die Schwestern widmeten sich auch der ambulanten Krankenpflege, der Ausbildung junger Mädchen in einer Nähschule und den alten Bewohnern der Pfarrei durch Einrichtung eines Altersheimes. Das Haus mußte in den 1970-ger Jahren von den Schwestern aufgegeben werden und beherbergt heute ein Restaurant.

 

Michael Streit